Gelassenheit ist immer dann angebracht, wenn sich die Machtdemonstration im Rahmen hält: Wenn Ihnen Ihr Chef unbedingt zeigen will, dass er derjenige ist, der darüber bestimmt, ob Sie einen Dienst tauschen dürfen oder nicht, oder wenn ein Kollege, auf dessen Hilfe Sie angewiesen sind, Sie diese Abhängigkeit spüren lässt – etwa durch demonstrative Langsamkeit.
1. Üben Sie sich in Gelassenheit
Halten Sie sich in solchen Fällen an die Grundregeln des guten Stils, und lassen Sie Ihr Gegenüber gerade nicht spüren, wie unangemessen sein Verhalten ist. Bleiben Sie höflich, gelassen, freundlich – aber unnachgiebig in der Sache, wenn Sie die denn weiterverfolgen wollen.
2. Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen
Beispiel: Ausweichen und spontaner Themenwechsel
Anne Schnellig hat als Mitarbeiterin der Abteilung „Öffentlichkeitsarbeit“ eines mittelständischen Unternehmens einen Vorschlag für die Neugestaltung der Firmenwebseite erarbeitet. Im Vieraugengespräch will sie ihr Konzept mit dem Vertriebsleiter abstimmen. Sie setzt sich dabei überzeugend mit seinen Einwänden auseinander und wartet zum Abschluss nur noch auf seine Zustimmung. Der Vertriebsleiter verhält sich merkwürdig. Als Anne Schnellig zum vereinbarten Zeitpunkt ins Büro kommt, schaut er kaum von seinen Papieren auf, sondern arbeitet zunächst einfach weiter.
Des Weiteren bietet er ihr keinen Platz an dem kleinen Besprechungstisch im Raum an, sondern bleibt hinter seinem Schreibtisch sitzen, sodass Frau Schnellig – nach einer gewissen Wartezeit im Stehen – mit einem unbehaglichen Gefühl auf dem „Besucherstühlchen“ davor Platz nimmt.
Statt ihr die erwartete Zustimmung zu erteilen, macht ihr Kollege eine Schublade auf, holt einen Ordner heraus und sagt: „Also Frau Schnellig, ich habe mir einmal die Pressemitteilungen angesehen, die in den letzten Wochen über unser Unternehmen erschienen sind. Mich ärgern zum wiederholten Male die Ausdrücke, die Sie da verwenden. Schauen Sie einmal hier …“
Für Anne Schnellig geht es im ersten Schritt darum, den Themenwechsel (= unfairer „Spielregelverstoß“ des Kollegen!) nicht zu akzeptieren, sondern das Heft des Handelns in der Hand zu behalten.
Mit einer höflichen, gelassenen Reaktion stellt sie das neue Thema zurück, um ihr eigentliches Anliegen abzuschließen: „Lassen Sie uns zuerst das Thema Webseite beenden, damit ich meine Arbeit daran fortsetzen kann. Den zweiten Punkt können wir anschließend besprechen. Das Beste ist, wir vereinbaren einen separaten Termin dafür.“
Setzten Sie sich zur Wehr
Auch wenn der Vertriebsleiter ranghöher ist, gehört es zur Höflichkeit, Rangunterschiede nicht zu betonen, sondern auszugleichen. Niemand darf die persönliche Würde eines anderen Menschen verletzen.
Fühlen Sie sich in Ihrer persönlichen Würde angegriffen, wird das Machtspiel so unfair, dass Sie den anderen in seine Schranken weisen dürfen – unabhängig davon, wer Ihnen gegenübersteht.
3. Beachten Sie die Körpersprache
Wer – wie der Vertriebsleiter im obigen Beispiel – sein Gegenüber unter emotionalen Druck setzen will, kann das auch körpersprachlich zum Ausdruck bringen. Psychologen sprechen von Droh- oder Dominanzsignalen, die Personen aussenden, wenn sie ihre Macht demonstrieren wollen. Die folgende Übersicht hilft Ihnen dabei, solche Signale zu erkennen und richtig einzuordnen.
Übersicht: Die häufigsten Droh- und Dominanzgesten im Arbeitsalltag:
- Der Kollege lässt Sie als eintretenden Besucher warten, verzichtet auf Blickkontakt und arbeitet demonstrativ weiter.
- Er begrüßt Sie ohne Handschlag oder mit extrem festem Händedruck und versucht, Sie durch fixierenden Blickkontakt emotional einzuengen und/oder zu irritieren.
- Er komplimentiert Sie mit einer „führenden“ Handbewegung zu Ihrem Platz. Dieser ist zumeist wenig komfortabel (etwa mit dem Gesicht zu einer grellen Lichtquelle oder neben dem geräuschvollen Drucker).
- Er bleibt während eines Gesprächs beharrlich hinter seinem Schreibtisch sitzen, obwohl eine Besprechungsecke im Raum zur Verfügung steht.
- In Ihrem Büro setzt er sich hinter Ihren Schreibtisch und nimmt Unterlagen, Stifte oder persönliche Gegen- stände in die Hand. Oder er baut sich hinter Ihnen und Ihrem Schreibtisch auf und inspiziert mehr oder weniger unverhohlen, was dort ausgebreitet ist.
- Er zeigt generell eine breite Haltung Ihnen gegenüber. Armlehnen (etwa im Flugzeug) und Tische (beispielsweise in der Kantine) beansprucht er zu mehr als der Hälfte.
- Während Sie sprechen, schaut er demonstrativ weg oder tut andere Dinge (etwa im Kalender blättern oder am Computer hantieren).
- Er nutzt gern den gestreckten Zeigefinger, seine Brille oder Stifte, um damit – quasi als Angriffswaffe – auf Sie zu zeigen. Oder er steht während eines Gesprächs plötzlich auf und hält einen Monolog „von oben“.
- Der Kollege versucht durch einen demonstrativen Blick auf die Uhr Zeitdruck auszuüben.
- Er klopft Ihnen gern demonstrativ auf die Schulter oder nimmt Sie – falls Sie eine Frau sind – in den Arm.
4. Durchbrechen Sie das Machtspiel
„Das Geheimnis jeder Macht besteht darin zu wissen, dass andere noch feiger sind als wir.“ – Was Ludwig Börne (1786 bis 1837, deutscher Schriftsteller) einst formulierte, heißt im Umkehrschluss: Haben Sie den Mut, das unangenehme Verhalten Ihres Gegenspielers anzusprechen und ihm zu sagen, was Sie stört! Wenn Sie sich dabei gleichzeitig kooperativ und konsequent zeigen, agieren Sie nicht unhöflich, sondern entziehen dem Machtspiel stilvoll den Boden. Hilfreiche Formulierungen, die Ihnen für eine solche Reaktion zur Verfügung stehen, finden Sie in der folgenden Liste.
Formulierungsbeispiele, mit denen Frau Schnellig (s. Beispiel) die Machtdemonstrationen beendet:
- „Herr Meyer, wir sind um drei Uhr zum Gespräch über … verabredet. Es ist jetzt genau 15 Uhr, wir sollten also beginnen.“
- „Herr Meyer, was halten Sie davon, wenn wir das Gespräch hier am runden Tisch führen? Dann kann ich Ihnen die Unterlagen leichter erklären.“
Weitere Formulierungsvorschläge, um Dominanzgesten abzuwehren:
- „Ich sehe, Sie schauen auf die Uhr. Wie viel Zeit steht uns noch zur Verfügung?“ oder „Wie viel Zeit haben Sie für unser Gespräch eingeplant?“
- „An diesem Platz blendet mich das Sonnenlicht sehr. Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich mich auf die andere Seite setze?“
- „Herr Meyer, ich habe es nicht so gern, wenn jemand sich an meinen Schreibtisch setzt. Bitte nehmen Sie doch hier vorne Platz.“
Beleidigungen müssen Sie nicht hinnehmen
Manche Mitmenschen legen es darauf an, ihre Machtdemonstration solange auszuüben, bis ihnen jemand Einhalt gebietet. Sie probieren – wie ein Kleinkind – aus, wie weit sich ihre Macht erstreckt und wie weit sich die anderen von ihnen einschüchtern lassen. Wenn Sie sich in solchen Fällen zur Wehr setzen, erreichen Sie in der Regel mehr, als wenn Sie sich solche Machtkämpfe gefallen lassen. Sie brauchen auch nichts zu befürchten, wie das folgende Beispiel zeigt. Denn Sie verlangen nur etwas, das jedem Menschen zusteht: mit Respekt behandelt zu werden.
Zweifelsohne erfordert es etwas Mut, jemandem, der Macht hat, derart entgegenzutreten. Doch es lohnt sich ganz gewiss. Denn der andere wird Sie, wenn Sie Ihre Grenzen genau abgesteckt haben, auch in Zukunft respektvoller behandeln.