„Ist das nicht ein großartiges Gefühl, wenn ein Projekt erfolgreich abgeschlossen ist?“
Helga Sommer, Assistentin der Geschäftsleitung, dreht sich um und sieht, wie Ihr Kollege Rainer Thierer mit einem breiten Grinsen auf sie zukommt.
„Ja, das ist es“, antwortet sie und beißt sich auf die Zunge, um nicht zu sagen: „Dank meiner harten Arbeit.“
Rainer Thierer hat nicht einen Finger gerührt, um ihr zu helfen, das Projekt termingerecht abzuschließen, obwohl sie beide dafür verantwortlich gezeichnet haben. Ganz einfach, weil er sich als Stratege und nicht als Macher versteht, was auch sein anschließender Kommentar deutlich zeigt:
„Sehen Sie“, sagt er stolz, „es war genau richtig, wie ich das Problem gelöst habe!“, und setzt damit voraus, dass sein gedanklicher Input zum Erfolg des Projekts beigetragen hat und nicht Helgas Arbeit. „Sind Sie nicht froh, dass ich mich so eingesetzt habe? Denken Sie nur, wie viel Zeit und Geld wir dadurch sparen konnten!“ Bevor Helga Sommer irgendetwas entgegnen kann, ist er schon am Ende des Ganges verschwunden, eine fröhliche Melodie vor sich hinpfeifend.
2 Wochen später hört Helga Sommer, wie sich 2 Vorgesetzte über den Beitrag von Rainer Thierer bezüglich des Projekts unterhalten: „Ich habe immer schon gesagt, dass er das Zeug zu einer guten Führungskraft hat. Das hat dieses Projekt bewiesen", meint der eine.
„Definitiv“, antwortet der andere. „Kein Zweifel, Helga Sommer hat wie immer eine wichtige Rolle dabei gespielt. Aber Rainer Thierer war wohl ausschlaggebend dafür, dass wir die Kosten so niedrig halten konnten.“
Wir haben Leserinnen gefragt, wie sie an Stelle von Helga Sommer reagieren würden:
So würde Brigitte B. handeln:
Ich würde Rainer Thierer anmailen und ihm mitteilen, dass ich zu würdigen weiß, was er zu dem Projekt beigesteuert hat. Aber ich würde auch ganz deutlich machen, dass das Projekt ausschließlich aufgrund meines Engagements abgeschlossen werden konnte. Vielleicht würde ich die Mail als Kopie sogar an meinen Chef senden und anschließend die dazugehörige Antwort von Rainer Thierer.
Meine Begründung: Ich finde es ist notwendig, dass einmal schriftlich festgehalten wird, welche Rolle ich bei diesem Projekt tatsächlich gespielt habe. Außerdem ist es wichtig, dass ich Rainer Thierer den Wind aus den Segeln nehme, damit er nicht auch in Zukunft ein ähnliches Verhalten an den Tag legt.
Das meint Margit S.:
Ich würde mich taktvoll in das Gespräch der beiden Vorgesetzten einmischen und ohne Umschweife deutlich machen, was ich zum Erfolg dieses Projekts beigetragen habe. Dann würde ich Rainer Thierer in einem persönlichen Gespräch klarmachen, dass ich es sehr schätze, wenn ich in Zukunft die Lorbeeren, die ich für meine Arbeit verdient habe, selbst entgegennehmen kann.
Meine Begründung: Ehre, wem Ehre gebührt. Damit dies auch eintritt, muss ich meine Leistungen nach außen deutlich machen. Falsche Bescheidenheit bringt mich nicht weiter.