Das Thema Loyalität dem Chef gegenüber taucht immer wieder auf, wenn Sekretärinnen sich unterhalten. Wie weit muss man gehen? Sollte man wirklich für den Boss den Kopf hinhalten, nur damit er fein raus ist?
Die Thematik beschäftigte auch eine Leserin, die uns folgenden Brief schrieb:
„Seit über 25 Jahren arbeite ich nun als Sekretärin, die letzten fünf Jahre in einer Anwaltskanzlei. Vor einigen Tagen rief mich ein aufgebrachter Klient an, der wissen wollte, wo sein Vertrag bliebe, den mein Chef absegnen sollte. Er hatte ihn vor über einer Woche per Einschreiben geschickt, und ich erinnere mich, dass ich den Brief unmittelbar nach seiner Ankunft auf den Schreibtisch meines Chef gelegt habe. Er jedoch bestreitet, den Brief je gesehen zu haben.
Nachdem mein Chef und ich sein Büro umgekrempelt hatten, fanden wir den Vertrag unter einem Stapel Akten auf seinem Schreibtisch. Er musste kleinlaut eingestehen, dass er den Brief nach dem Öffnen wohl vergessen hatte.
Ich schlug ihm vor, dass ich vor dem Klienten die Schuld übernehme, und mein Chef stimmte zu. Ich habe gleich bei dem Klienten angerufen, mich entschuldigt und den Vertrag persönlich vorbeigebracht.
Nun plagen mich aber Zweifel. Ich habe zwar den Ruf meines Chefs gerettet, meinen eigenen aber gefährdet. Wird mir der Klient jemals wieder etwas anvertrauen? Hat der Vorfall Auswirkungen, wenn ich mir mal eine neue Stelle suchen will? Ich frage mich jetzt, ob es zu den Aufgaben einer Sekretärin gehört, die Fehler des Vorgesetzten auf ihre Kappe zu nehmen.“
Die Frage, ob die Sekretärin Verantwortung für die Fehler ihres Chefs übernehmen soll, kann nicht mit einem klaren Ja oder Nein beantwortet werden. Die beeinflussenden Faktoren sind zu komplex für eine allgemeine Antwort.
Wir haben sieben Fragen zusammengestellt, die Sie auf jeden Fall vor sich selbst klären sollten, bevor Sie einen Fehler eingestehen, den Sie gar nicht begangen haben.
- Wie wirkt sich mein Schuldeingeständnis auf meine Selbstachtung und das Ansehen meiner Tätigkeit aus?
- Ist es für Sie entscheidend, ob der Vorgesetzte bereit ist, Sie für Ihren selbstlosen Einsatz zu belohnen?
- Sollten Sie nur die Verantwortung für „menschliche“ Fehler übernehmen und Ihrem Chef die Verantwortung überlassen, wenn es an seiner Kompetenz hapert?
- Wird das Schuldeingeständnis Ihr Ansehen bei Ihrem Chef verbessern oder verschlechtern?
- Sollten Sie einen Schlussstrich ziehen, sobald Geld im Spiel ist? Würden Sie zum Beispiel die Schuld für einen verschollenen Vertrag auf sich nehmen, nicht aber für einen Scheck oder eine Rechnung?
- Planen Sie, falsche Schuldeingeständnisse auch in Zukunft zu machen? Sollten Sie Ihre Bereitschaft bei der nächsten Dienstbesprechung erwähnen, oder lassen Sie den Vorfall auf sich beruhen?
- Sind Sie sich sicher, dass Sie nicht in größere Probleme verwickelt werden? Möglicherweise war der Fehler Ihres Chefs Absicht, um dem Unternehmen zu schaden.
Fazit:
Wenn Sie durch falsche Schuldeingeständnisse in Schwierigkeiten geraten oder diese sich negativ auf Sie, Ihre Tätigkeit, Ihr Ansehen auswirken, lassen Sie lieber die Finger davon.